Steuerfuss-Senkung in Corona-Zeiten

9. April 2020
Der Gemeinderat nimmt zur beantragten Steuerfuss-Senkung von 86 auf 76 Steuerprozente Stellung.

Die Coronakrise hat den meisten St. Galler Gemeinden einen „Strich durch die Rechnung“ gemacht. Geplante Informationsveranstaltungen und Bürgerversammlungen können nicht durchgeführt werden und die Stimmberechtigten müssen brieflich über die Abnahme der Rechnung 2019 und das Budget 2020 abstimmen. Der Gemeinderat Widnau beantragt der Bürgerschaft für 2020 eine Steuerfuss-Senkung von 10 Prozentpunkten - von 86 auf 76 Steuerprozente. Diese doch erhebliche Reduktion mag in der aktuellen Krisensituation verunsichern und Fragen aufwerfen. Da aktuell keine öffentliche Diskussion stattfinden kann, möchte der Gemeinderat zu seinem Antrag nochmals in der Presse Stellung nehmen:

Sehr positives Jahresergebnis
Die Erfolgsrechnung 2019 ist nach dem neuen Rechnungsmodell RMSG zweistufig. Sie weist auf der 1. Stufe ein positives operatives Ergebnis von rund 3‘800‘000 Franken aus; auf der 2. Stufe, nach Verbuchung der gesetzlichen Reserveveränderungen, kann ein Ertragsüberschuss von 4.1. Mio. Franken ausgewiesen werden. Der Gemeinderat beantragt, 4 Mio. zur Bildung einer Vorfinanzierung für die Sanierung Schulhaus Gässeli zu verwenden, die in absehbarer Zeit ansteht. Die noch verbleibenden rund 100‘000 Franken werden in die Ausgleichsreserve eingelegt. Die Ausgleichsreserve ist ein neues Instrument im RMSG, das dem Gemeinderat eine aktivere Steuerfussmodellierung gestattet. In der Ausgleichsreserve stehen derzeit 10 Mio. Franken zur Verfügung.

Steuern werden auf der Vorjahresbasis erhoben
Das gute Ergebnis 2019 ist in erster Linie den hervorragenden Steuererträgen bei den natürlichen Personen geschuldet, die 1.2 Mio. Franken über dem Budget liegen. Nebst dem Zuzug von neuen Steuerpflichtigen sowie den höheren steuerbaren Einkommens- und Vermögensfaktoren sind in erster Linie Nachzahlungen für die Steuerjahre 2018 und älter dafür verantwortlich. Bekanntlich werden die Steuern des laufenden Jahres aufgrund der Einkommen im Vorjahr in Rechnung gestellt, das gilt auch für die Unternehmen. Die Steuereinnahmen 2020 sind daher von der aktuellen Corona-Krise noch nicht massgeblich beeinflusst, da sie auf die Situation 2019 und älter abstellen. Bei den Natürlichen Personen wie bei den Juristischen Personen wurden die Steuererträge 2020 deshalb nur leicht unter Vorjahresniveau budgetiert.

Schwierige Prognose für 2021
Kaum möglich sind aktuell Voraussagen für 2021: Einerseits werden dann die Steuerreduktionen für die Unternehmen greifen, die das Schweizer Stimmvolk am 19. Mai 2019 mit der sogenannten STAF-Vorlage (Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung) angenommen hat. Da ein Fünftel der Steuereinnahmen der Gemeinde Widnau von den grossen örtlichen Unternehmen stammt, ist im 2021 mit strukturellen Mindereinnahmen aus der STAF-Vorlage zu rechnen. Andererseits ist völlig offen, wie tiefe ökonomische Bremsspuren die Corona-Krise hinterlässt und wie sich diese kurz- und längerfristig niederschlagen. Auch wird sich die krisenbedingte schwierige Situation auf dem Arbeitsmarkt besonders für junge und ältere Arbeitnehmende nicht so schnell entspannen. In diesem Zusammenhang ist in den nächsten Jahren wohl mit höheren Ausgaben im Bereich der Sozialhilfe und der sozialen Unterstützung zu rechnen. Krisenbedingt verzeichnet die Gemeinde schon heute Ertragsausfälle durch die Schliessung der Sportanlagen, Stundungen von Mietzinsen etc. Diese einmaligen eigentlichen „Krisenkosten“ sind überschaubar. Unwägbar hingegen sind - wie erwähnt - die mittel- und langfristigen Folgen der Corona-Krise, die uns alle sicher noch über Jahre beschäftigen werden.

Solide Ausgangslage
Im Gegensatz zu den Einnahmen ist die Ausgabenentwicklung der Gemeinde recht gut zu steuern, mit eingeschlossen die Ausgaben der Schule. Die Strategie, nachhaltig in die Infrastruktur und den Gebäudepark der Gemeinde zu investieren, macht sich nun bezahlt und dank der guten Ergebnisse in den letzten Jahren und den daraus getätigten Zusatzabschreibungen weist der Gemeindehaushalt eine tiefe Verschuldung aus. Auch die gemeindeeigenen Werke sind finanziell gesund und sehr gut aufgestellt. Die langfristige Stabilisierung des Finanzhaushalts und eine auf Kontinuität und Nachhaltigkeit angelegte Investitionstätigkeit sind die Eckpfeiler der Finanzpolitik des Widnauer Gemeinderates. Daran will der Rat nicht rütteln. Die Steuerfuss-Senkung von 10 Prozentpunkten hat der Rat sorgfältig evaluiert und intern diskutiert; sie ist aufgrund des Budgets 2020 verträglich und tragbar. Eine Prognose für die nächsten Jahre ist derzeit in jeder Hinsicht problematisch, wenn nicht gar unmöglich. Wohl werden die nächsten Jahre finanzpolitisch herausfordernd, aber der Gemeinderat wird alles daran setzen, die Stabilität des Gemeindehaushalts sicherzustellen. Dazu stehen auch die 10 Mio. Franken in der Ausgleichsreserve zur Verfügung, die in guten Zeiten für schlechte Zeiten angespart wurden. Und nicht zuletzt: Die Steuerfuss-Senkung wird alle Einwohnerinnen und Einwohner finanziell entlasten. Es ist zwar für viele ein „Tropfen auf den heissen Stein“ - aber trotzdem. Der Gemeinderat dankt allen Stimmberechtigten für das Vertrauen. Und bleiben Sie gesund.

Den Geschäftsbericht 2019 sowie den detaillierten Finanzbericht 2019/2020 finden Sie unten angefügt als PDF-Dateien.

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